Nach dem fulminanten Abendessen am Vorabend, verließen wir bei strahlendem Sonnenschein die Montana Guest Farm in Oudshoorn. Unsere heutige Etappe sollte uns über die legendäre R62 bis nach Montagu führen. R62 sagt euch nichts? Mir bis dato auch nicht um ehrlich zu sein. Eine kurze Recherche klärte mich jedoch darüber auf, das diese rund 850 Kilometer lange Fernstraße auch gerne als kleine Schwester der bekannten Route 66 in den USA bezeichnet wird.

Auf der legendären R62 durch die Kleine Karoo

Der erste Streckenabschnitt bis zum Ort Calitzdorp gestaltete sich noch einigermaßen unspektakulär. Wir fuhren durch eine recht karge, unbewirtschaftete Halbwüstenlandschaft. Erst hinter der Portwein-Hochburg Calitzdorp näherten wir uns den mächtigen Bergen, die bis dahin nur schemenhaft am Horizont zu erkennen  gewesen waren. Und plötzlich ist man mittendrin. Die R62 wird zur kurvenreiche Passstraße, die sich einen Weg durch eine beeindruckende, archaisch anmutende Berglandschaft bahnt. Glücklicherweise waren wir an diesem tag fast alleine auf dieser Streck unterwegs, so dass wir vielfach anhalten konnten, um das grandiose Bergpanorama zu genießen. Durch enge Täler schlängelte sich die R62 mutig weiter durch die rot-braune Felsenlandschaft, die in einigen an den Grand Canyon im Miniformat erinnert.

R62
Beginn des Huisrivierpas auf der R62

Mikrobrauerei in Barrydale – Barrydale Cellar

Nach etwa zwei Stunden Fahrtzeit verließen wir die Bergwelt wieder und passierten das Ortsschild des kleinen Ortes Barrydale, in dem wir einen kurzen Tankstop anlegten. Und da wir bereits Mittag hatten, wollten wir bei der Gelegenheit auch eine Kleinigkeit essen. Dazu begaben wir uns auf die „Hauptstraße“ des verschlafenen Örtchens, fanden außer ein paar kleinen Läden aber nichts was uns wirklich angesprochen hätte. Also zurück ins Auto und wieder auf die R62 – für ca. 50 Meter. Dort lockte uns ein Schild „Pizza & Craftbeer – Brandy and Winetasting“ zum Barrydale Cellar. Wir parkten unser Auto auf dem völlig leeren Parkplatz neben dem recht modern wirkenden Gebäude. Die Bedienung freute sich sichtlich über die (einzigen) Gäste und führte uns in den großzügigen Gastraum, der topmodern gestalteten Anlage. Dort ließ sie mich die beiden Biere probieren, die in der gläsernen Mikrobrauerei nebenan hergestellt werden. Das Pale Ale passte perfekt zu den hochsommerlichen Temperaturen. Im Anschluss nahmen wir auf der kleinen Außenterrasse Platz, neben der romantisch ein Flüsschen dahin plätscherte und mampften eine hervorragende Pizza. Danach probiere ich bei einer kleinen Weinprobe noch den Shiraz des Hauses, der mich jedoch nicht gänzlich überzeugen konnte.

Barrydale Cellar
Im Barrydale Cellar erwarten euch Wein, Brandy und Bier-Verkostungen – und lecker Pizza

Dennoch: der Barrydale Cellar ist definitiv einen Besuch wert. Ich bin immer wieder erstaunt, was für erstklassige Locations hier in den kleinsten Orten zu finden sind. Es lohnt sich wirklich einfach mal abzubiegen oder einem Hinweisschild zu folgen. Wir haben dadurch bisher fast immer einen echten Geheimtipp aufgetan.

Montagu und das Montagu Country Hotel

Hinter Barrydale fuhren wir entlang des Zuurberg Nature Reserve durch eine fruchtbare Landschaft bis nach Montagu im Distrikt Cape Winelands. Der Ort mit seinen knapp 15.000 Einwohnern liegt am Zusammenfluss des Kingna River und des Keisie und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Darauf machen die Bewohner auch an vielen Stellen aufmerksam. Gegründet wurde die Stadt 1851 von John Montagu, dem damaligen Kolonialsekretär der Kapkolonie. Bekannt ist sie vor allem für ihre zahlreichen gut erhaltenen Bauten nach kapholländischem viktorianischen oder Art déco Stil. Und in einem davon durften wir die Nacht verbringen: im ersten Hotel am Platz, dem Montagu Country Hotel. Schon beim Betreten des historischen Baus atmeten wir Geschichte ein. Das komplette Interieur besteht aus originalen Art déco Möbelstücken und überall entdeckt man liebevolle Details. Der Hotelchef, den wir kurz kennen lernten, hat das Konzept des historischen Hotels hier vollumfänglich mit viel Herz umgesetzt. Das bedingt auch, dass man mitunter auf Teils recht betagten Sesseln Platz nimmt oder an Tischen sitzt, die etwas verschlissen wirken. Dafür sind sie halt echte Originale – und würden in Europa ohne Frage Unsumme kosten. Erwähnenswert sind auch die hoteleigenen Oldtimer. In der Garage schlummern gleich zwei der riesige US-Straßenkreuzer, die der Chef gerne persönlich durch die Straßen von Montagu kutschiert. Das Hotel hat einen ganz besonderen Charme, durch den man sich unweigerlich in die 1920er Jahre zurückversetzt fühlt. Einzige Ausnahme: die wunderschön aber deutlich moderner gestalteten Gärten und Poolanlagen im Innenhof.

Beim Check-In hatten wir eine kleine Broschüre zur Geschichte der Stadt erhalten, mit der wir uns nun auf eine erste Erkundungstour begaben. Unsere Route führte über die Bath Street bis zur Kerk Street, wo zahlreiche der oben erwähnten Gebäude zu finden sind. Die Broschüre beschrieb die Geschichte der wichtigsten Baudenkmäler und machte auf zahlreiche historische Ereignisse aufmerksam. Doch wir waren nicht nur zum Sightseeing gekommen. Es war Valentienstag und daher musste noch ein geeignetes Restaurant für den Abend gefunden werden. Doch leichter gesagt als getan. In Südafrika gilt dieser Tag offenbar als Feiertag, an dem sich jeder Mann dazu verpflichtet fühlt, seine Frau standesgemäß auszuführen. Mit der Folge, dass bereits um 14 Uhr nahezu ALLE Restaurants des Ortes ausgebucht waren. Wir versuchten er erfolglos in mehreren Locations und steuerten dann leicht frustriert den Rückweg zum Hotel an. Zwar bietet das Montagu Country Hotel in der Regel eine vielgelobte à la carte Küche, unter anderem bekannt für das südafrikanische Nationalgericht Bobotie. Heute wurde jedoch nur ein eher minimalistisches Buffet angeboten – dank einer großen Reisegruppe aus Deutschland. Und da hatten wir besseres vor.

Auf dem Rückweg folgten wir dann eher zufällig einem Hinweisschild, das auf afrikanische Kunst hinwies. Da wir auf unserem Streifzug durch Montagu bereits erfolgreich in zwei anderen Kunstläden gestöbert hatten, wollten wir auch hier kurz nach ein paar Mitbringseln für unsere Lieben zuhause schauen. Ein kleiner Pfad führte uns neben einem Restaurant durch einen wunderschönen Garten mit zahlreichen Skulpturen zu einem kleinen Flachbau. Dort begrüßte uns eine nette Dame, die uns kurz später auf deutsch fragte „Entschuldigen Sie, sprechen Sie vielleicht deutsch?“. Es stellte sich heraus, das sie eine Deutsch-Namibianerin ist, die bereist seit Jahren in Südafrika lebt. Wir tauschten uns interessiert aus, begutachteten die tollen Produkte in dem liebevoll gestalteten Laden und ließen uns zu guter Letzt ein Restaurant von ihr empfehlen. Eben das Restaurant, an dem wir gerade vorbei gekommen waren. Die Besitzern koche selbst und die Küche sei hervorragend, sagte sie uns. Zudem – welch Überraschung – braue man dort 2-3 leckere Biere, die man ja bei der Gelegenheit probieren könne. Ich mag dieses Land ;o) Der Name des Ladens: The Mystic Tin & Karoo Brew(ery). Und welch ein Glück: genau ein Tisch war noch frei. So genossen wir am Valentinstag ein (wieder mal) geniales Abendessen mit überwältigendem Dessert und verkrümelten uns danach satt und zufrieden in unser historisches Hotelzimmer.

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