Zum Anfang unserer Norwegen Tour habe ich mich wie ein kleines Kind über jeden kleinen Wasserfall gefreut. Mittlerweile, nach gefühlten 10.000 Wasserfällen jeglicher Größenordnung, relativiere ich meinen Enthusiasmus etwas. Dennoch hatten wir die spektakulärsten „Fossen“ noch nicht gesehen. Um mindestens zwei weitere auf unserer Liste ankreuzen zu können, sollte es heute ins Husedalen gehen. In diesem gut 11 Kilometer langen Tal warten gleich vier spektakuläre Wasserfälle aus den geübten Wanderer. Der weniger geübte und zeitlich etwas eingespannte, erreicht binnen 3 Stunden wenigstens zwei davon.

Der Tveitfoss

Doch bevor es soweit war, gönnten wir uns mehr oder weniger gewollt erstmal eine Auszeit. Der Regen, der die ganze Nacht angehalten und unser viel gerühmtes ADAC-Vorzelt ordentlich durchnässt hatte, ließ auch zur Mittsgszeit nicht nach. Also genehmigten wir uns einen Mittagsschlaf und starteten erst gegen 15:00 Uhr. Schon nach etwa 45min erreichten wir den Tveitfoss, der sich beeindruckend kraftvoll seinen Weg Richtung Tal bahnt. Stellt euch einen Fluss, etwa halb so groß wie die Mosel vor, der gut 100m über blanken Felsen prescht, um sich kurz darauf in einem breiten Flussbett zu beruhigen, bevor es wie auf der Achterbahn in ein enges, steiles Korsett aus Felsen und Schluchten geht.

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Beeindruckend: der Tveitfoss mit dem Wasserkraftwerk von 1917

Wahnsinn wie greifbar hier die Naturgewalt Wasser wird. Das erkannten auch die Norweger schon früh und bauten bereits 1907 ein Wasserkraftwerk, das an dieser Stelle noch heute mit einem Bruchteil des Flusswassers betrieben wird.

Im Anschluss versuchten wir uns am ausgeschilderten Hiking-Trail, um den Nyastolfoss zu erreichen. Diesen tapferen Versuch mussten wir allerdings kurze Zeit später wieder aufgeben. Der steile Pfad ging über teils arg glitschige Felsen steil bergauf und wurde nach wenigen hundert Metern durch einen Bach unterbrochen, der durch die starken Regenfälle derart angeschwollen war, dass ein Weiterkommen unmöglich war. Also zurück auf den normalen Wanderweg, den wir nach einigem hin und her gemeinsam mit einer vierköpfigen, belgischen Gruppe fanden. Der gut ausgebaute Weg führte uns auf ein Plateau, oberhalb des ersten Wasserfalls. Hier beginnt der berühmte Nationalpark „Hardangervidda“. Links und rechts des Weges, türmen sich immer wieder eiszeitliche, mit Moos völlig überwucherte Geröllmassen zwischen zerbrechlich wirkenden Bäumen. Der Waldboden ist überall von allerlei Grün bedeckt und wird hinter jedem zweiten Felsen von einem kleinen Wasserfall durchbrochen. Bei diesem märchenhaften Anblick mag man begreifen, warum der Glaube an Trolle und Naturgeister in Norwegen noch weit verbreitet ist. Einige der riesigen, 5 bis 6 Meter durchmessenen Steinbrocken, wirken wie von übernatürlicher Hand an ihre zum Teil eigentümliche Position gelegt. Als hätten Riesen mit Murmeln gespielt und vergessen aufzuräumen.

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Die beeindruckenden Wassermassen des Tveitfoss

Der Nystølfoss

Als wir die Wolkengrenze passierten, löste ein lauter werdendes Getöse, dass des ersten Wasserfalls ab. Leider nahm aber auch die Sicht ab, so dass wir wenig später nur noch gut 10 Meter weit sehen konnten. Irgendwann wurde das Getöse dann derart laut, dass der Nystølfoss nicht mehr weit entfernt sein konnte. Eine kleine Plattform markierte einen Aussichtspunkt. Nach genauem Hinsehen zeigte sich denn auch weiter unten im Tal ein kleiner Ausläufer des Wasserfalls. Enttäuschend wenig für diese lange Wanderung. „Wäre jetzt klare Sicht, würden wir den Nystølfoss wohl sehen können!“ sagte ich daraufhin – und als hätten Odin und Thor gelauscht, verzogen sich nur wenige Sekunden später die Nebelschwaden vom gegenüberliegenden Berghang und gaben den imposanten Blick auf den riesigen Wasserfall mit seinen satten 200 Metern Fallhöhe frei. Die Breite und Wucht dieses Wasserfalls übertrifft alles was wir bis dahin in Sachen „Wasser“ und „fall“ gesehen hatten. Was für ein Naturschauspiel. Die gemachten Fotos geben das leider nur äußerst unzureichend wieder.

Der Rückweg verlief dann bedeutend leichter und als wir wieder am Bus angekommen waren, freuten wir uns über all das was wir trotz des mittelmäßigen Wetters sehen durften. Trotz mieser Vorhersagen des Wetterberichts waren wir nicht mehr in eine Regenfront geraten und konnten uns trocken und zufrieden hinters Steuer setzen.

Die Camping- und Rastplätze die wir wenig später in Eidfjord und anderen Orten anfuhren, wussten nicht so recht zu überzeugen, so dass wir letztendlich bis zum nächsten Highlight weiterfuhren: dem Vøringfoss! Der geübte Leser wird’s verstanden haben!? Richtig, wieder ein Wasserfall. Dafür Norwegens berühmtester und vorerst der letzte auf unserer Strecke. Gegessen haben wir schon und da Odin und Thor diesmal wohl anderweitig beschäftigt sind, können wir gerade nichts besichtigen: der Wasserfall hüllt sich in ein Nebelkleid und lässt nur sein nahes Grollen hören. Also gehen wir schlafen und hoffen darauf, morgen endlich mal alle Sachen trocken zu bekommen. Ansonsten nehmen wir uns halt ein Hotel und trocknen das Vorzelt in der Sauna.

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